Die Erstbesteigung des Matterhorns
Das Matterhorn, der charakteristische pyramidenförmige Gipfel, der die Grenze zwischen der Schweiz und Italien markiert, ist einer der bekanntesten und gefährlichsten Berge der Welt. Seit Jahrhunderten zieht dieser majestätische Berg Abenteurer und Alpinisten aus aller Welt an. Doch bis zum 14. Juli 1865 galt der Gipfel des Matterhorns als unbezwingbar. An diesem Tag jedoch wurde Bergsteigergeschichte geschrieben – und gleichzeitig wurde die Welt Zeuge einer der größten Tragödien des Alpinismus.
Der Ruf des Matterhorns: Ein unerreichbarer Gipfel
Das Matterhorn, das auf 4.478 Meter über dem Meeresspiegel emporragt, hatte lange Zeit den Ruf, unerreichbar zu sein. Seine steilen Flanken und die oft tückischen Wetterbedingungen machten es zu einer echten Herausforderung für selbst die erfahrensten Bergsteiger. Im 19. Jahrhundert, als die Begeisterung für das Bergsteigen in Europa wuchs, wurde das Matterhorn zu einem der letzten großen unbestiegenen Gipfel in den Alpen.
Die Erkundungen und Besteigungen in den Alpen waren zu dieser Zeit in vollem Gange, und viele der höchsten Gipfel wurden erstmals bestiegen. Doch das Matterhorn widerstand allen Versuchen. Es war mehr als nur ein Berg – es war ein Symbol für das Unmögliche.
Edward Whymper: Der Mann mit dem Traum
Der Mann, der das Matterhorn schließlich bezwang, war Edward Whymper, ein junger britischer Künstler und Bergsteiger. Whymper war von dem Wunsch besessen, als Erster den Gipfel des Matterhorns zu erreichen. Er unternahm mehrere Versuche, den Berg von der italienischen Seite aus zu besteigen, doch alle scheiterten.
Nach diesen Misserfolgen entschloss sich Whymper, es von der Schweizer Seite aus zu versuchen, über die Nordostflanke, die heute als Hörnligrat bekannt ist. Diese Route war weniger steil und schien erfolgversprechender. Doch Whymper wusste, dass er nicht der Einzige war, der den Gipfel erreichen wollte. Die Konkurrenz unter den Bergsteigern war groß, und der Druck, als Erster den Gipfel zu erklimmen, wuchs.
Die Erste Besteigung: Triumph und Tragödie
Am 14. Juli 1865 machte sich Edward Whymper mit einer Gruppe von sechs weiteren Bergsteigern auf den Weg zum Gipfel des Matterhorns. Zu seiner Gruppe gehörten der erfahrene französische Bergführer Michel Croz, die Briten Francis Douglas, Charles Hudson und Douglas Hadow sowie die Zermatter Bergführer Peter Taugwalder und dessen Sohn Peter Taugwalder Jr.
Der Aufstieg begann in den frühen Morgenstunden, und das Team machte gute Fortschritte. Die Wetterbedingungen waren günstig, und die Route über den Hörnligrat erwies sich als weniger schwierig als erwartet. Gegen Mittag erreichte die Gruppe den Gipfel und Edward Whymper konnte als Erster seinen Fuß auf den höchsten Punkt des Matterhorns setzen. Es war ein Moment des Triumphs und der Erleichterung. Die Erstbesteigung des Matterhorns war geglückt, und die Geschichte des Alpinismus war um ein großes Kapitel reicher.
Doch die Freude sollte nur von kurzer Dauer sein. Beim Abstieg geschah das Unfassbare. Douglas Hadow, der unerfahrenste der Gruppe, verlor auf einem Schneefeld den Halt und stürzte in die Tiefe. Er riss Michel Croz, Charles Hudson und Francis Douglas mit sich. Die vier Männer stürzten Hunderte von Metern in den Tod, ihre Körper blieben am Fuße der Nordwand des Matterhorns liegen.
Edward Whymper und die beiden Taugwalders überlebten den Sturz nur, weil das Seil, das sie mit den anderen verbunden hatte, riss. Geschockt und traumatisiert kehrten sie nach Zermatt zurück, wo die Nachricht von der Tragödie schnell die Runde machte.
Die Nachwirkungen: Kontroversen und Vermächtnis
Die Erstbesteigung des Matterhorns wurde schnell zu einem der bekanntesten Ereignisse der Alpingeschichte, doch sie war auch von Kontroversen überschattet. Das gebrochene Seil führte zu Spekulationen, ob es möglicherweise absichtlich durchtrennt wurde, um die Überlebenden vor dem gleichen Schicksal zu bewahren. Whymper und die Taugwalders wiesen diese Anschuldigungen jedoch stets zurück, und es gibt keine Beweise, die diese Theorie stützen.
Die Tragödie am Matterhorn löste eine weltweite Diskussion über die Risiken und Ethik des Bergsteigens aus. Der Vorfall erinnerte die Welt daran, dass die Berge, so faszinierend sie auch sein mögen, gefährlich sind und Respekt verlangen. Trotz der Tragödie erlangte Edward Whymper durch seine Leistung weltweite Anerkennung und wurde zu einer der bekanntesten Figuren in der Geschichte des Alpinismus.
Heute, mehr als 150 Jahre nach der Erstbesteigung, zieht das Matterhorn weiterhin Bergsteiger aus aller Welt an. Die Route über den Hörnligrat ist zur klassischen Aufstiegsroute geworden und wird jedes Jahr von Tausenden von Alpinisten in Angriff genommen. Doch die Erinnerung an den ersten Aufstieg und die tragischen Ereignisse von 1865 bleiben unvergessen.
Fazit: Ein Berg, der Geschichte schrieb
Das Matterhorn ist mehr als nur ein Berg. Es ist ein Symbol für den menschlichen Willen, das Unmögliche zu erreichen, und gleichzeitig eine Mahnung an die Gefahren, die in den Höhen der Alpen lauern. Die Erstbesteigung des Matterhorns war ein Meilenstein in der Geschichte des Bergsteigens, der nicht nur den Gipfel, sondern auch die Herzen der Menschen eroberte.
Die Geschichte von Edward Whymper und seiner Gruppe ist eine Erzählung von Mut, Entschlossenheit und der Tragödie, die die Natur oft mit sich bringt. Sie zeigt, dass der Weg zum Gipfel oft nicht nur körperliche, sondern auch emotionale Herausforderungen mit sich bringt. Und sie erinnert uns daran, dass die Berge, so faszinierend sie auch sind, stets Respekt verlangen.
Für viele bleibt das Matterhorn ein Traumziel, ein Berg, der die Grenzen zwischen Mensch und Natur markiert. Doch für diejenigen, die seine Flanken erklimmen, ist es auch eine Reise in die Geschichte, die bis heute lebendig ist.